Während es draußen ohne Unterlass regnet, bahnt sich im Verborgenen der Frühling seinen Weg an die Oberfläche. Die ersten Knospen sprießen, erste Krokusse demonstrieren uns fröhlich ihre Farben, während kleine zarte Schneeglöckchen weite Flächen in den Wäldern für sich einnehmen…


Doch es gibt Wichtigeres.
Einsamkeit ist ein großes Thema unserer Zeit. Unsere Gesellschaft verändert sich. Wir werden immer freier, unabhängiger, individueller und bekommen immer mehr Möglichkeiten uns selbst zu verwirklichen. Gleichzeitig steigt aber auch der Druck genau dieses zu tun, mit dem Zeitgeist Schritt zu halten, sich in das gesellschaftliche Bild zu integrieren.
Manchmal beschleicht mich das Gefühl, U-Bahnen sind nicht einfach nur ein öffentliches Transportmittel, dass Menschen von einem Ort an einen anderen befördert – sie sind viel mehr eine Art gesellschaftliches Experiment. Kein anderer Ort auf dieser Welt kommt mir in den Sinn, an dem so viel Unterschiedlichkeit, so viele Lebensentwürfe, so viele Hoffnungen, Erwartungen, Sehnsüchte auf engstem Raum eingesperrt, stumm nebeneinandersitzen, stets bemüht sich gegenseitig so gut wie es nur möglich ist zu übersehen.
Ich passe mich an. Ich sehe niemanden. Niemand sieht mich. Mein Arbeitstag war lang, das Office voll, der Kaffee kalt, das Hamsterrad voller Stolpersteine. Es ist spät geworden. Obwohl es Sommer ist – zumindest meine ich das zu wissen – ist es bereits dunkel draußen, dennoch ist die U-Bahn voller Menschen. Ich bin mir nicht sicher, ob es Tränen der Erschöpfung oder Tränen der Traurigkeit sind, die wie kaum bewegliche Rinnsale langsam an die Oberfläche meiner Augen treten, um kurzdarauf den Absprung hinab über den getuschten Wimpernbogen zu wagen. Ein Glück, dass niemand mich sieht. Das grelle Licht der Haltestelle blendet mich – nicht auf die angenehme Art, wie das Licht der Sonne es bisweilen an heißen Sommertagen zu tun pflegt – es blendet kalt, starr, ohne jegliche Rücksichtnahme.
Der Weg nach Hause ist nur weniger hundert Meter lang – wenige hundert Meter durch die Dunkelheit. Jedes einzelne Mal, wenn ich diesen Weg im Dunkeln beschreite, verfolgt mich das Gefühl alleine zu sein – und gleichzeitig nicht alleine zu sein. Beinahe so, als wäre dem Schatten der Einsamkeit, den das matte, düstere Laternenlicht auf die vertrocknete Erde wirft, seine Macht ebenso bewusst wie seine Schwere. Ich folge dem Weg, den ich nun bereits seit geraumer Zeit beinahe täglich beschreite. Die Schritte hinter mir sind nur in meinem Kopf – das ist mir so bewusst, wie meine eigene Existenz, und dennoch sind sie stets präsent.
Mein Schlüssel dreht sich im Schloss, es folgen einige Treppenstufen nach oben in den ersten Stock. Ich betrete meine Wohnung. Ich mag sie. Sie ist schön. Ich taste nach dem Lichtschalter im Dunkeln. Das Licht blendet mich. Ich mache das Licht wieder aus. Taste mich in das innenliegende Bad, ohne jeglichen Zugang zum Tageslicht. Waschen, Zähne putzen, Küche, Kühlschrank, Bett. Ich bin mir nicht sicher, ob es Tränen der Erschöpfung oder Tränen der Einsamkeit sind, die wie kaum bewegliche Rinnsale langsam an die Oberfläche meiner Augen treten, um kurzdarauf den Absprung hinab über den Wimpernbogen direkt auf das Kissen zu wagen. Ich schließe meine Augen.
Der Wecker klingelt. Bad, Küche, U-Bahn, Office. Das Telefon klingelt. Ach ja, die Stolpersteine. Der Kaffee wird kalt. Ich bin mir nicht sicher, ob es Tränen der Erschöpfung, oder Tränen der Traurigkeit sind, die mir die Luft nehmen. Ein Glück, dass mich niemand sieht.
Einsamkeit ist eines der großen Themen unserer Zeit. Für manche von uns. Von Zeit zur Zeit.
Noch mehr Gefühle? Schau mal hier: Liebe.
Für ein wenig mehr Leichtigkeit erwartet dich demnächst in meinem Blog ein Beitrag über die schönsten Seiten des Frühlings.